Rudolf Vombek Grafik
"Vor der Farbe"
Märkisches Museum Witten


Einführung zur Ausstellungseröffnung am 20. Juni 2008

Das grafische Werk Rudolf Vombeks umfaßt im Wesentlichen Holzschnitte, Holzstiche und Radierungen in verschiedenen Techniken und ist zum größten Teil entstanden im Zeitraum etwa von 1962 bis 1974. Wie seine Malerei, ist auch die grafische Kunst Vombeks bis in das Jahr 1967 hinein dem Informel zuzuordnen, motivisch bewegt sich Vombek dabei im Spannungsfeld zwischen Gestus und Fläche.

Während sich in Malerei und Zeichnung informelle Bildideen durchaus spontan realisieren lassen, so ist dies in der Druckgrafik nur sehr begrenzt möglich. Die Bildidee muß handwerklich umgesetzt werden, oft gegen sprödes Material wie etwa Holz oder Metall. Ein scheinbar spontaner Gestus wird sich also bald als sorgfältig handwerklich erarbeitet erweisen.
Beim Holzschnitt und Holzstich kann zwar das Motiv z.B. mit Tusche auf die Holzplatte (= Druckstock) gestisch aufgetragen worden sein, beim Schneiden der nicht druckenden Linien und Flächen bekommt das Bildmotiv aber eine andere Zeitdimension und eine neue Materialität, etwa durch Schnittkonturen oder Spuren der Holzmaserung, die in den größeren Flächen beim Holzschnitt oft sichtbar wird, diese Präsenz und Sichtbarkeit des Materials ist dabei durchaus im Sinne des Informel.

Der Holzschnitt kommt nur schwer über das Schwarz-Weiß des Wegschneidens und Stehenlassens der Holzoberfläche hinaus, Zwischentöne sind nur bedingt durch Schraffuren oder mehrfaches Überdrucken erreichbar.

Weitergehendere Möglichkeiten als der Holzschnitt bietet die Radierung, in den ersten Jahren verwendet Vombek die verschiedenen Radiertechniken parallel, er nutzt die freie Zeichnung in die mit Lack beschichtete Platte ebenso wie das expressive Schaben und Ritzen direkt in das Metall. Daneben experimentiert Vombek mit Asphaltlack und Säure, beide wechselwirkend mit dem Pinsel aufgetragen. Es entstehen – ganz im malerischen Sinne – informelle Bildkonzepte mit gestischen Lineaturen und sich durchdringenden oder umrissenen tonigen Formen und Flächen.

Ganz erstaunlich ist, daß sich Rudolf Vombek bei seinen informellen Grafiken immer wieder der Technik des Holzstichs bedient, denn diese erfordert viel Zeitaufwand und enorme Konzentration.

Der Holzstich verwendet nicht das im Holzschnitt übliche Langholz, sondern das quer zur Maserung und damit zur Faser geschnittene Hartholz, das sogenannte Hirn- oder Kernholz. Dieses Holz bietet Werkzeugen wie dem Stichel und Messer in jeder Richtung den gleichen, gut kontrollierbaren Widerstand – anders als beim manchmal zu schnell nachgebenden und damit schwer berechenbaren längs geschnittenem Holz. Der Holzstich erlaubt Parallel- und Kreuzlinien von großer Dichte und Präzision und damit die Darstellung feiner Tonabstufungen und Details.

Im 19. Jahrhundert wurde der Holzstich hauptsächlich für Illustrationen in Lexika verwendet. Da das harte Holz hohe Druckauflagen erlaubt, fand er auch im Zeitungsdruck Verwendung. Daumier und Doré verwendeten den Holzstich für Illustrationen, zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden auch Holzstiche nach Zeichnungen u.a. von Liebermann und Slevogt angefertigt, als Künstlergrafik ist diese Technik allerdings ausgesprochen selten.

Es erscheint auf den ersten Blick verwunderlich, daß Vombek ausgerechnet diese handwerklich schwierige und die ganze Konzentration erfordernde Technik verwendet, die zunächst im Gegensatz zum Informel gesehen werden kann. Allerdings erlaubt die Dichte des Materials einerseits tiefschwarze Flächen, andererseits feinste Lineaturen und Schraffuren. Nicht im Prozeß, sehr wohl aber im Ergebnis verwirklichen sich hier einige Bildideen Vombeks, umgesetzt in vollendeter, geradezu altmeisterlicher Könnerschaft. Die sechs Holzstiche der Magma-Mappe von 1965 sind sicher ein Höhepunkt im grafischen Werk Vombeks.

1967 vollzieht Vombek einen bemerkenswerten Wechsel der grafischen Technik, im Übergang verwendet er die Kaltnadelradierung, ritzt mit großer Kraft Lineaturen und Schraffuren in die Metallplatten. Das gedruckte Ergebnis ist den Holzstichen erstaunlich nahe, so in den Schraffurlagen einiger Radierungen.

Konsequent setzt er das in den „Magma“-Holzstichen begonnene Kompositionsprinzip mit Flächen und Strukturen fort und bedient sich dabei auch der Aquatinta-Radiertechnik, die feine Tönungen und Abstufungen ermöglicht. Der Bildraum wird gegliedert durch Flächen unterschiedlicher Tönungen und Strukturen. Diese Arbeiten zeigen deutlich die Abkehr vom informellen Gestus. Nach und nach wird der Bildraum neu organisiert. Die Gestaltungselemente wie zeichenhafte Linien, Umrahmungen oder fast schwarzen Formen rücken in die Randbereiche der Darstellung. Der Bildinnenraum wird zunehmend flächiger, entweder kaum bearbeitet oder tief geschwärzt. In einer Reihe experimenteller Radierungen werden die Randbereiche direkt angegangen und ab- bzw. ausgeschnitten, so daß die Platten unregelmäßige Formen bekommen. Durch das Wegschneiden werden die Randzonen nicht etwa entfernt, sondern eher betont.

Während Vombek bei den frühen informellen Radierungen das ganze Spektrum der technischen Varianten der Radierung nutzt, konzentriert er sich im Laufe der Zeit ganz auf die „kalte“ Bearbeitung der Druckplatten. Das Material wird mit der Nadel geritzt, mit Sticheln werden Lineaturen geschnitten, die Platten werden für dunkle Flächen mit dem Wiegeeisen aufgeraut, oder mit der Technik und den Werkzeugen des Kupferstichs werden Schraffuren dicht übereinander gelegt.

Anfang 1968 kündigt eine kleine unscheinbare, nur 5 x 8 cm messende Radierung ein neues Bildkonzept an, es ist die Skizze für die erste einer Reihe von Grafiken, die aus zwei oder vier getrennten Platten bestehen, die in allen möglichen Kombinationen zusammengestellt und abgedruckt werden können.
Die Radierung wird zu einer variablen, seriellen Komposition.

Die einzelnen Platten sind zeichnerisch so gestaltet, daß plattenübergeifende Formenelemente entstehen können und daß durch die variierenden Plattenkonstellationen verschiedene Kompositionen und Bildräume geschaffen werden.

Rudolf Vombek ist hier Teil und Mitgestalter einer sehr aktuellen künstlerischen Entwicklung. Im „Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit“ (vorgedacht bereits in den 20er Jahren von Walter Benjamin) prägte die Idee des Seriellen und Variablen viele Konzepte der Malerei, der Bildhauerei und der Architektur, gestützt von ästhetischen Theorien, z.B. der informationstheoretischen Ästhetik von Max Bense und durch Forderungen nach einer Demokratisierung der Kunst, wie sie die Kunstakademien und die Kunstkritik Ende der 60er und Anfang der 70er Jahre formulierten.

Die innovativen variablen Serien fanden große Aufmerksamkeit. In zwei Jahren entstanden um die zwanzig zwei- bis vierteilige Radierungen und bilden mit ihren Variationen den umfangreichsten Werkabschnitt. Eine Folge aus zwei Druckplatten erschien 1969 in einer 100er Auflage als Edition der Galerie Baier in Mainz. Dieses variable Konzept übernahm Rudolf Vombek auch in die Malerei und wurde dort in zahlreichen mehrteiligen Bildern kontinuierlich weiterentwickelt.

Ab 1970 werden die Grafiken nach und nach konzentrierter, der Bildgedanke wird radikaler, die Bildkonstruktion selbst wird zum Thema. Die Binnenflächen werden aufgefaßt wie Farbtöne, eingefaßt vom Randgeschehen aus konstruktiven Elementen, die die Farbmasse der Fläche kontrastieren oder ergänzen.

Je konstruktiver die Bildkonzeptionen werden, je mehr Farb- und Raumsysteme mit ihren Verläufen, Inversionen und Permutationen
(Vertauschen / Variieren ähnlicher Elemente) ins Zentrum des künstlerischen Wollens und Entdeckens rücken, je präziser Seherfahrungen und Wahrnehmungsphänomene angesprochen werden sollen, desto problematischer wird deren Ausdruck in grafischen Techniken wie Radierung und Holzstich. Schraffuren können eben keine perfekten Verläufe erzeugen, auch eine mit der Technik der Aquatinta getönte Fläche behält durch eine gewisse Körnung ihre Eigenstruktur.

Grafik und Malerei befanden sich bei Rudolf Vombek bis Anfang der 70er Jahre in einer sich gegenseitig inspirierenden Beziehung, vieles wurde in der Grafik ausprobiert, was in der Malerei Ausdruck fand, malerische Ideen wurden in die Grafik übersetzt und variiert.

Mit den nicht mehr in diesen grafischen Techniken lösbaren konzeptionellen Ansprüchen endet diese Wechselbeziehung, die Umsetzung der Bildabsichten findet dagegen in den folgenden Jahrzehnten in der Malerei ihre Perfektion.

John Anthony Thwaites resümierte 1970:
„Vielleicht ist es zu früh zu versuchen, die Arbeit Rudi Vombeks einzuordnen. Wie jeder wirklich eigenständige Künstler gehört er nicht von vornherein zu einer vorgefaßten Richtung. Dennoch gibt es einige Anzeichen. Eines der wichtigsten erhalten wir wir aus seinen neueren Radierungen – denn Vombek ist und bleibt Graphiker.“

Letzteres hat sich so nicht bestätigt.
Die Wahrnehmung des grafischen Werkes Rudolf Vombeks wurde in den folgenden Jahren mehr und mehr überlagert durch die Rezeption der von Vombek entwickelten Farb- und Raumsysteme in seiner Malerei und von seinen vielen Aufträgen im öffentlichen Raum und den faszinierenden Glasfenstern in zahlreichen Kirchen.
Mit der Schenkung des grafischen Werkes Rudolf Vombeks an das Märkische Museum und durch seine Dokumentation ist dieser künstlerische Abschnitt nun für die weitere Betrachtung und Wertung gesichert und kann in seiner eigenständigen Qualität gewahrt und gewürdigt werden.

Die hier in der Ausstellung gezeigte Auswahl gibt einen ersten überzeugenden Einblick in das grafische Schaffen Rudolf Vombeks. Wegen einer schweren Erkankung kann er heute nicht anwesend sein, ich wünsche ihm von hier aus alles Gute.

© 2008